Neuenheerse

St. Saturnina Neuenheerse

Kreuzwegstationen

1. Station

Jesus wird zum Tode verurteilt

Da steht er: wehrlos. nicht mit den selbstbewussten verschränkten Händen.

Da steht er: nicht argumentierend und sich rechtfertigend, nicht belehrend oder drohend.

Da steht er: wehrlos ausgeliefert den Menschen

Ecce homo – seht da, der Mensch!

Und die Geschichte beginnt von Neuem. Die Geschichte des großen Sündenfalls. Wieder sind die Schlange da und der Baum der Versuchung. Die Frucht mag die Anmaßung sein, in der Menschen sich erheben und meinen, den anderen richten zu müssen.

Und angeklagt ist Gott in Menschengestalt, der zur Sünderin sagt: „Auch ich verurteile dich nicht.“ (Joh 8,11)

Pilatus ist nicht zu sehen; nur die Hände, und die könnten heute meine Hände gewesen sein – geballte Hände in Wut, in Empörung; Finger, die deuten auf den anderen, auf einen, der sich nicht wehrt.


4. Station

Jesus begegnet seiner Mutter

Die Mutter und der Sohn.

Zärtlichkeit. Berührung.

Mehr als einander zuneigen,

mehr als Zuneigung.

Es ist ein In-den-andern-hinein-neigen.

Wie eine Stütze jetzt nach dem Fall ist Maria.

Seine Bitte war nicht vergebens.

Zärtliche Hände, die streicheln, halten, - festhalten möchten.

Und Jesus – kann er die Mutter festhalten, während doch das Kreuz ihn fest hält?


6. Station

Veronika reicht Jesus das Schweißtuch

Ein stilles Gespräch. Die Augen sprechen und die Gesten.

Nicht Veronika ist es, die Jesus etwas gibt. Sie empfängt. Jesus reicht Veronika das Schweißtuch – eingeprägt darauf sein Bild.

Und die Falten des Schweißtuchs gehen auf in den Falten ihres Kleides.

„Du hast Christus angezogen“, sagen wir dem Kind nach der Taufe.

Aber es ist nicht der Herrscher, der Triumphator,

Es ist der Mensch, der dir tagtäglich begegnet.

Der Mensch, der leidet, den hast du angezogen.


8. Station

Jesus begegnet den weinenden Frauen

Wo immer Jesus in diesem Kreuzweg Menschen begegnet, wird sein Gesicht menschlich.

Ein lebendiges Gespräch scheint sich zwischen den Frauen und ihm zu entwickeln.

Wer sind sie?

- die Klageweiber, die aus Tradition und Gewohnheit jeden Toten beklagen ohne echte Anteilnahme?

- oder stehen sie für alle, die nicht zur rechten Zeit ihre Stimme erhoben haben und die jetzt das Gewissen plagt?

„Das habe ich nicht gewollt! So habe ich das doch nicht gemeint! Dieses ‚Kreuzige ihn’, das haben doch alle gerufen!“ Bin ich eine dieser Frauen, die zu spät den Mund aufmachen?

„Weint nicht über mich, weint über euch und eure Kinder. Denn es werden Tage kommen, da werdet ihr sagen...“ (Lk 23,28f)

Heißt das nicht: „Wacht endlich auf! Fangt jetzt an, eine Zukunft zu bauen, in der euren Kindern das erspart bleibt!“

Und der, den es betrifft, er steht unbeteiligt am Rand, die Hände hinter dem Rücken verschränkt

mit fragenden Blick an die Mutter.


10. Station

Jesus wird seiner Kleider beraubt

Schlimm ist es, wenn manche am Leid und Unglück anderer ihre Schaulust befriedigen.

Abscheulich wird es, wenn sie sich an Wehrlosen bereichern.

Wer hat hier eigentlich seine Würde verloren?

Was damals an der Schädelstätte geschehen ist, das scheint mir heute Alltäglichkeit in einem System, worin Familien durch Überschuldung ein Leben lang gnadenlos „ausgezogen“,

wo ganze Kontinente im Namen von Marktwirtschaft und Globalisierung ausgebeutet werden.


12. Station

Jesus stirbt am Kreuz

Noch einmal neigt er sich der Mutter zu.

Diesmal aber ist er weit weg von ihr.

Keine zärtliche Berührung mehr.

Die Hände sind angenagelt, gebunden.

Und die Mutter hat er dem Freund anvertraut.

Im Sterben bleibt der Mensch einsam.


14. Station

Jesus wird ins Grab gelegt

Alle Hoffnung tot,

alle Träume ausgeträumt,

alle Farbe im Grau erstickt,

alle Zukunft in der Grausamkeit der Gegenwart begraben.

Aber was da geschieht, geschieht in Würde. Der letzte Dienst ist ein Dienst der Liebe.

Vorsichtig und mit unendlicher Zärtlichkeit bettet Josef von Arimatäa den toten Körper in das Grab.

Wer so seine Zukunft begräbt, in dem lebt etwas auf.

Vielleicht ist es die Dankbarkeit.

2. Station

Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern

Kräftig packt er zu.

Breitbeinig nimmt er das Gewicht des Balkens auf.

Nicht geknickt, nicht am Boden zerstört, nicht mit gesenktem Haupt nimmt er das Urteil an.

Merkwürdig nur, wie der Künstler Jesus nach oben blicken lässt.

Der Blick nach oben – sucht er den Vater?

Fragt er noch einmal wie am Ölberg: „Muss es denn wirklich sein?“

Ob er die Antwort jetzt findet?


3. Station

Jesus fällt zum ersten Mal unter dem Kreuz

Gestolpert, gestürzt, gefallen.

Die Welt hat sich auf den Kopf gestellt für den, der am Boden liegt.

Große Augen schauen mich an, suchen meine Augen.

Und ich – halte ich den Blick aus?

Oder sehe ich weg, tue so, als ginge mich das Ganze nichts an?

Gott ist klein geworden, wenn er um Hilfe bittet. Aber seit diesem Fall sieht er mich oft und oft an – mit großen, fragenden Augen.

Seit diesem Fall gibt es ein neues Sakrament.

Immer ist er es, der mich ansieht mit den Augen der Menschen, die auf Hilfe warten.


5. Station

Simeon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz zu tragen

Der eine voller Kraft, der andere am Ende seiner Kräfte;

oben und unten.

Die Augen des Simon sind leer. Ist es Mitleid oder die Teilnahmslosigkeit dessen, der zur Teilnahme gezwungen ist?

Aus Jesu Augen spricht Panik. Gescheitert! Am Ende!

Doch Simon ist überfordert. Er trägt die Last des Kreuzes und das Gewicht Jesu, der am Ende ist.

Ich begegne Menschen, für die die Situation des Simon Normalität geworden ist. Ich denke an pflegende Angehörige, an Männer und Frauen, die mit der Last der Familie noch die Alkoholkrankheit des Partners zu tragen haben ...


7. Station

Jesus fällt zum zweiten Mal unter dem Kreuz

Es gibt Menschen,

die werden nur noch durch ihr Kreuz gehalten.

Am Ende aller Kraft hält sie das Kreuz doch aufrecht.

Kraftlos gibt das Kreuz doch noch Kraft.

Und in der Einsamkeit wird das Kreuz zum Du, zum Bruder, zur Schwester.


9. Station

Jesus fällt zum dritten Mal unter dem Kreuz

„Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; Er erniedrigte sich und war gehorsam ... " (Phil 2, 6-8)

Da liegt er

im Dreck,

ganz unten.

Und wenn du nicht zu denen gehören willst, die jetzt gaffend auf ihn herab schauen,

dann musst du dein Knie tief beugen.


11. Station

Jesus wird ans Kreuz geschlagen

In den Dreck geschleudert,

niedergedrückt.

Und dann nur noch Schmerz.

Nein, er hat das Leiden nicht gleichgültig, nicht heroisch, nicht tapfer getragen.

„Unsere Krankheiten hat er getragen, und unsere Schmerzen auf sich genommen.“ (Jes 53,4)

Gott kann mitfühlen.

Gott weiß, was Menschen erleiden.


13. Station

Jesus wird vom Kreuz abgenommen und in die Arme seiner Mutter gelegt

Keine menschlichen Züge mehr,

ein entstellter Leichnam, der ihr da von den Knien rutscht.

Und Maria:

Leid, Schrecken, Schmerz – bis zum Wahnsinn.

Das Leid der Mutter, die selbst den Tod des Kindes stirbt.


15. Station

Der Engel verkündet Jesu Auferstehung

Keiner hat gesehen, was sich in jener Nacht ereignet hat.

Es gibt keine Zeugen, keine Beweise.

Aber es gibt Wesen – Engel vielleicht, die in uns den Funken der Hoffnung entfachen können.

„Er ist nicht hier. Er ist auferstanden.“

Und bei jedem, in den dieser Funke hineinfällt, da verändert sich etwas.

Wo immer dieser Funke entfacht wird, da wird er zur Glut und zum Feuer.

Und das Leben erwacht.

Und Auferstehung ist da.