Neuenheerse

St. Saturnina Neuenheerse

Baugeschichte der Pfarrkirche St. Saturnina

Bauphase 2: Ottonische Basilika (10. Jahrhundert)

Nach Einfällen der Ungarn ist unter Bischof Unwan (918 - 937) eine Kirchweihe belegt. Es handelt sich dabei wohl um den Beginn des Neubaues als ottonische Basilika, die in Lage und Fläche der heutigen Kirche entspricht, jedoch in der Höhe niedriger war. Das Fußbodenniveau liegt ca. 1 m unter dem heutigen Boden des nördlichen Seitenschiffes. Vermutlich war sie mit einer Chorkrypta versehen. Bausubstanz dieser Phase könnte in der nördlichen Seitenschiffwand und in der Südwand der Krypta erhalten sein.

Bau der Westwerkanlage

An diese Basilika wurde um 1030 eine reduzierte Westwerkanlange angebaut, die in ihrer Grundsubstanz heute noch erhalten ist. Sie hatte ein zentrales Westportal an der Stelle, wo heute im Turmraum die Pieta ihren Platz gefunden hat. Das ursprüngliche Fußbodenniveau ist im nördlichen Seitenschiff (Taufkapelle) erhalten. Der flachgedeckte Mittelbau war nach Osten durch drei Arkaden auf zwei Säulen und zu den Seiten mit je zwei Arkaden und einer Säule (im Nordbau sichtbar) verbunden. Im Obergeschoß gefand sich vermutlich der erste Frauenchor, der wiederum zum Kirchenschiff hin über drei Arkaden geöffnet war (heute hinter der Orgel verbaut).

Neubau nach Brand (1165)

Im Jahre 1165 wurde die Kirche durch einen verheerenden Brand zerstört, dessen Spuren bis heute durch Brandrötung und Absplitterung an der frühromanischen Bausubstanz (Säulen in nördl. Seitenschiff) erkennbar sind. In der vorhandenen Ruine wurde die Kirche mit Veränderungen neu aufgebaut. Vierung, Chor und vermutlich auch das Querhaus wurden eingewölbt. Dazu mußten in der Krypta und in der Vierung vier große Stützpfeiler eingezogen werden. Der Fußboden wurde erhöht und in diesem Zuge vermutlich die beiden zentralen, podestbegleitenden Treppen hinab zum Kultgrab der Saturnina (bei der heutigen Treppenanlage in den Hochchor) aufgegeben. Einige Treppenstufen sind neben dem Reliquienaltar in der Confessio noch sichtbar. Auch das Westwerk wurde verändert: Verstärkt und nach Osten hin vermauert, um es durch Aufbau von weiteren Stockwerken zu einem Westturm umzugestalten. Im Nordwesten wurde das Leichhaus (heute Eingang Stiftsstraße) und im Südosten an Chor und Südquerhaus ein zweistöckiger Bau angegliedert, der im Untergeschoß die Georgskapelle (heute Marienkapelle) und im Obergeschoß die Sakristei aufnahm. Zum Ende dieser Bauphase ist auch die Einwölbung der Seitenschiffe anzusetzen.

Bauphase 4: Gotische Hallenkirche (14. Jahrhundert)

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurde eine letzte große Umbaumaßnahme vorgenommen. Das südliche Seitenschiff wurde abgerissen und mit dem Mittelschiff zur gotischen Hallenkirche umgestaltet. Mächtige, achteckige Pfeiler tragen nun die rippenlose Wölbung. In den Querhausarmen wurden die Mauern z. T. verstärkt oder erneuert. Sie wurden mit Rippengewölbe versehen. Der Kapitelsaal und die darüber liegende Empore als Frauenchor stammen in ihrer jetzigen Gestalt aus dieser Zeit. Das Langhaus wurde auf gleichem Niveau mit einem Boden aus Sandsteinplatten versehen, um von dort durch den Einbau einer Fenestella Blickkontakt zum Saturninengrab in der Confessio zu ermöglichen (in der Mitte der unteren Stufen zum Hochchor). Im Südwesten wurde ein neuer Zugang zum Kirchenraum geschaffen (heute noch sichtbar links neben dem Südeingang). Unzureichende Finanzmittel waren wohl der Grund, daß die Stiftskirche im Zuge dieser Maßnahme nicht vollständig zur gotischen Hallenkirche umgewandelt worden ist.

Bauphase 1: Spätkarolingische Basilika (9. Jahrhundert)

Neuere Grabungen im Inneren des Kirchenraumes bestätigen das Vorhandensein eines spätkarolingischen Kirchenbaues. Dieser lag parallel zur Achse des heutigen Langhauses mit einer Innenbreite von ca. 13,8 m etwas nach Süden versetzt. Bisher nicht geklärt ist, ob dieser Bau einen Westturm besaß. Angenommen wird ein Querhaus und eine Umgehungskrypta. Ob dieser Bau des 9. Jahrhunderts einen Vorläufer hatte, lässt sich nicht belegen, ist aber aufgrund des Knickes, der heute noch zwischen Vierung und Chor auszumachen ist, anzunehmen. Diese spätkarolingische Basilika hatte unter Bischof Biso (887 - 909) die Reliquien der hl. Saturnina aufgenommen. Heute ist von diesem Bau - mit Ausnahme zweier Fundamente im Querstollen der Confessio - nichts mehr sichtbar.

Bauphase 3: Romanische Säulenbasilika (um 1100)

An diese Westwerkanlange wurde um das Jahr 1100 eine romanische Säulenbasilika mit geradem Chorabschluß sukzessive von West nach Ost angebaut, die in weiten Teilen heute noch sichbar ist: Im nördlichen Seitenschiff, in der Vierung, dem gesamten Chor und der Ostwand des südlichen Querhauses. Wie erwähnt, entsprach das frühromanische Langhaus seinem ottonischen Vorgängerbau im Grundriß recht exakt, übertraf diesen aber an Höhe. Dieser Bau ist die einzige in Westfalen nachweisbare Säulenbasilika. Sie war flach gedeckt und hatte im Zentrum (an der Stelle, wo sich heute die Treppenanlage zum Hochchor befindet) eine Umgehungsconfessio, die aus dem Mittelschiff durch zwei Treppenabgänge erreichbar war. In diese Zeit fällt auch ein Neubau der Krypta.

Der barocke Umbau

Unter der Äbtissin Agatha von Niehausen (1690 - 1713) wurden zwischen 1693 und 1698 umfangreiche Veränderungen am Bau vorgenommen: Der Chor erhielt neue Strebenpfeiler, die dort maroden Bruchsteingewölbe wurden durch Backsteingewölbe ersetzt, neue Fenster wurden im Ost- und Fräuleinchor eingesetzt. Der Fußboden wurde um ca. 50 cm auf das jetzige Niveau erhöht und die Treppenanlage mit den flankierenden Podesten (Seitenaltäre) neu gestaltet. Drei barocke Portale wurden in der Südseite des Langhauses, der Nordseite des Leichhauses und der restaurierten Georgskapelle eingebaut.

Durch diese Veränderungen gewann die Kirche ihren heute prägenden barocken Raumeindruck, und es waren die Voraussetzungen für eine entsprechende Ausstattung duch Altäre, Orgel und Kanzel geschaffen.

Auch die Krypta war damit entscheidend verändert. Die westliche Öffnung zur Confessio mit dem zentralen Kultgrab der hl. Saturnina war endgültig verbaut und damit aus dem Zentrum gerückt. Um den tonnenschweren Hochaltar im Chor zu tragen, musste dem Ostabschluß der Krypta eine Mauer als Fundament vorgesetzt werden. Der frühere Zugang zur Lambertikapelle (Anbau am Ostchor) war damit verschlossen.

Letzte Veränderungen

1789 - 1793 wurde das Dach vollständig erneuert, 1797 der Westturm um 6 Fuß erhöht und mit einer geschweiften Haube versehen. Nach der Säkularisierung erhielt die Kirche 1829 einen neuen Anstrich. Die Grabplatten wurden damals aus dem Kirchenboden entfernt und weitgehend zerschlagen. 1855 wurde - aufgrund der hohen Feuchtigkeit - in der Krypta der Fußboden auf das heutige Niveau erhöht, die Säulen verkürzt und die schadhaften Säulenbasen durch neue ersetzt. Größere Renovierungen gab es noch in den Jahren 1910 - 1926, 1954 - 1966, zuletzt 1991 - 1994.